Beilstein/Mosel (Rheinland-Pfalz)

Bildergebnis für cochem karte Beilstein ist eine heute zur Verbandsgemeinde Cochem gehörende kleine Ortsgemeinde mit kaum mehr als 100 Einwohnern am rechten Moselufer im Landkreis Cochem-Zell (Kartenskizze 'Landkreis Cochem-Zell', Hagar 2009, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts besaß die kleine Ortschaft Beilstein mit mehr als einem Viertel der Einwohnerschaft den höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil der Regierungsbezirke Koblenz und Trier.

                              Beilstein um 1840, Aquarell (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Bereits zu Beginn des 14.Jahrhunderts lebten ca. zehn jüdische Familien im kleinen Moselort Beilstein. Sie waren vor Verfolgungen aus dem Raum Oberwesel geflohen und waren von der hiesigen Herrschaft, dem Ritter Johann von Braunshorn, hier angesiedelt worden, um deren Kassen zu füllen, aber auch bei Aufbau der Stadt u. der Befestigungsanlagen mitzuwirken. Die Juden - sie bewohnten damals einen Straßenzug hinter der nördlichen Stadtmauer - bestritten ihren Lebensunterhalt hauptsächlich vom Handel mit Wein, Vieh und Schieferplatten.

Von den Pestpogromen der Jahre 1348/1349 waren auch die Juden Beilsteins betroffen: Die meisten jüdischen Familien sollen damals den Verfolgungen zum Opfer gefallen sein. Jahrzehnte später lebten hier wieder einzelne Juden, die trotz der allgemeinen Vertreibungen aus dem Erzbistum Trier den Schutz der Burgherren von Winneburg genossen und auch zukünftig verbleiben durften.

In der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts wohnten in Beilstein maximal acht jüdische Familien.

Über die Lebenssituation der Beilsteiner Juden geben Aufzeichnungen aus dem Jahre 1836 Auskunft:“ ... Zu Beilstein haust eine zahlreiche wohlhabende Judenschaft, die starken Verkehr mit Wein, Früchten, Vieh, usw. treibt. Sie bringt reges Leben in der Handel der Umgebung und gilt überhaupt als rechtlich und ehrlich. Mit den übrigen Bewohnern lebt dieselbe auf friedlich-verträglichem Fuße, teilnehmend bei Krankheiten und anderem Mißgeschick. Die Weinwirtschaft des Israeliten Lipmann am Markt wird auch von Christen häufig besucht; bei anständigem Lokal ist die Bedienung höflich und billig.” (aus: „Israelitisches Familienblatt“, S.Lilienthal “Mit jüdischen Augen durch deutsche Lande”, Mai 1930)

In Beilstein lebten im Jahre 1840 bei einer Gesamteinwohnerzahl von ca. 300 Personen insgesamt 79 Juden; damit hatte der kleine Ort den höchsten jüdischen Bevölkerungsanteil der Regierungsbezirke Koblenz und Trier. In einem amtlichen Verzeichnis aus dem Jahr 1857 sind für Beilstein 14 steuerpflichtige Juden aufgeführt, darunter vier jüdische Weinhändler; der Weinhändler Benjamin Simon wies damals das höchst Steueraufkommen des Weinortes auf.

Schon im 14.Jahrhundert soll hier eine "Judenschule" bzw. ein Bethaus existiert haben.

Das (letzte) Synagogengebäude in Beilstein stammt zu Teilen aus dem 18. bzw. aus ersten Drittel des 19.Jahrhunderts und grenzte unmittelbar an die moselseitige Stadtmauer; das zweigeschossige aus Bruchsteinen erstellte Gebäude besaß auch eine Frauenempore. Eine Mikwe soll sich im Keller des Gebäudes befunden haben und wurde vermutlich durch den nahen Hinterbach gespeist. Als 1831 in Beilstein eine jüdische Schule gegründet wurde, fand der Schulunterricht ebenfalls im Synagogengebäude statt. Bereits gegen Ende der 1860er Jahre wurde die Schule wegen Schülermangels wieder geschlossen; die Kinder besuchten fortan die katholische Ortsschule.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20190/Beilstein%20AZJ%2018081863.jpgaus: "Allgemeine Zeitung des Judentums" vom 18. Aug. 1863

Seit dem 17.Jahrhundert gab es am Fuße der Burg einen jüdischen Friedhof, auf dem auch die verstorbenen Juden aus den nahen Orten Bremm, Bruttig, Ediger-Eller, Mesenich und Senheim ihre letzte Ruhe fanden.

 

Jüdischer Friedhof Beilstein (Aufn. aus: camping.de, 2007 und  Reinhardhauke, 2012, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Juden in Beilstein:

    --- um 1780 .......................  8 jüdische Familien,

    --- 1808 .......................... 47 Juden,

    --- 1816 .......................... 73   “  (ca. 30% d. Bevölk.),

    --- 1840 .......................... 79   “  (ca. 25% d. Bevölk.),

    --- 1858 .......................... 76   “  ,

    --- 1895 .......................... 39   “  ,

    --- 1925 ..........................  7   “  .

Angaben aus: Angelika Schleindl, Spuren der Vergangenheit - Jüdisches Leben im Landkreis Cochem-Zell, S. 132

 

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts verließen die meisten jüdischen Familien Beilstein und verzogen in größere Städte. Während der Zeit des Ersten Weltkrieges lebten dann nur noch zwei Familien am Ort. Saul Lilienthal schrieb dazu in seiner Reisebeschreibung: „ ... Die schöne Gemeinde ist leider dahin und mit ihr das rege geschäftliche Treiben, das einst in Beilstein war. ... sonst wohnt nur noch ein altes jüdisches Ehepaar. Die etwa hundert Jahre alte Synagoge ist verlassen und verwahrlost.” 1925 wurde das Synagogengebäude verkauft, nachdem hier schon jahrelang kein Gottesdienst mehr abgehalten worden war. Die wenigen jüdischen Bewohner besuchten nun die Gottesdienste in Bruttig. Die letzte in Beilstein lebende Familie mosaischen Glaubens verzog 1939 nach Köln.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden nachweislich 14 aus Beilstein stammende Bewohner jüdischen Glaubens Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/beilstein_synagoge.htm).

 

Das in der Weingasse gelegene ehemalige jüdische Bethaus von Beilstein - es wurde lange Zeit als Scheune benutzt - ist heute eines der ältesten noch vorhandenen Synagogengebäude der weiteren Region. 1990 erwarb ein neuer Eigentümer das leerstehende Gebäude und unterzog es einer sorgfältigen Restaurierung; seitdem wird es als Galerie- und Ausstellungsraum genutzt.

  

Ehem. Synagogengebäude  und  Ornament über dem Eingang (Aufn. RomkeHoekstra, 2022, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

Das ca. 1.400 m² große jüdische Friedhofsareal weist heute noch ca. 110 Grabsteine auf; der älteste datiert aus dem Jahre 1818.

Beilstein (Mosel) Jüdischer Friedhof 176.JPGBeilstein (Mosel) Jüdischer Friedhof 183.JPGBeilstein (Mosel) Jüdischer Friedhof 181.JPG

Grabsteine mit erheblichen Verwitterungsspuren (Aufn. Reinhardhauke, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Weitere Informationen:

S. Lilienthal, “Mit jüdischen Augen durch deutsche Lande”, Mai 1930

Winfried Hansel, Die Judenschule in Beilstein, in: "Kreisjahrbuch Cochem-Zell 1988", S. 99 ff.

Wolfgang Wendling, Die jüdische Bevölkerung im 19.Jahrhundert, in: "Kreisjahrbuch Cochem-Zell 1988"

Maren Heyne, Stille Gärten - beredte Steine. Jüdische Friedhöfe im Rheinland, Bonn 1994, S. 136/137 

Reinhold Schommers, Die Beilsteiner Judengemeinde und ihre Synagoge, in: K.Freckmann (Hrg.), Das Land an der Mosel - Kultur und Struktur, Bad Sobernheim 1995, S. 115 - 130

Angelika Schleindl, Spuren der Vergangenheit - Jüdisches Leben im Landkreis Cochem-Zell, Hrg. Landkreis Cochem-Zell, Rhein-Mosel-Verlag 1996, S. 132 ff.

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 100/101

Beilstein, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Aufnahmen des ehem. Synagogengebäudes)

Der Jüdische Friedhof in Beilstein, in: commons.wikimedia.org (Medienarchiv) – mit einer Bilddokumentation zahlreicher Grabsteine

Rainer Vitz, Beilstein in vergangener Zeit, online abrufbar unter: beilstein-stadtfuehrung.de

Rainer Vitz (Red.), Beistein und seine jüdische Gemeinde, in: „Blick aktuell“ vom 18.1.2022